Auswirkungen einer Trachealkanüle auf den Alltag der Patienten

Trachealkanülen sind für viele Patienten ein Segen, da sie medizinische Maßnahmen ermöglichen oder vor lebensbedrohlichen Gefahren schützen. Aber sie sind auch ein Fluch, da sie elementare Lebensbereiche stark einschränken oder ganz unmöglich machen.

Trachealkanülen haben sehr negative Effekte auf die Atmung, das Schlucken, die Körperhalten und Wahrnehmung sowie auf die Kommunikation.


Atmung

  • Die Atmung ist durch eine Trachealkanüle erheblich verändert.
  • Der Atemwiderstand ist durch das Lumen der Trachealkanüle erhöht. Gleichzeitig ist die Distanz verringert, da Larynx, Pharyx und Mund- bzw. Nasenraum nicht mehr belüftet werden müssen.
  • In der Folge reduziert sich die Inspirationstiefe und erhöht sich die Atemanstrengung.
  • Die Reinigungsfunktion der Nasenschleimhaut funktioniert ebenfalls nicht. Das betrifft auch die Anfeuchtung und Erwärmung der Atemluft durch die Schleimhäute in Nase und Pharynx.

Schlucken

Die dramatischste Auswirkung hat eine Trachealkanüle sicher auf den Schluckakt. So werden sie zwar bei allerschwersten Schluckstörungen eingesetzt, um einen gewissen Schutz vor tiefer und anhaltender Aspiration zu sichern, fördern durch ihren Eingriff in wichtige Anatomische Strukturen allerdings massiv das Auftreten und den Schweregrad der Dysphagie.

Alyssa R. Terk hat 2007 herausgefunden, dass die Beweglichkeit des Kehlkopfes nach oben und nach vor nicht mechanisch eingeschränkt ist. Das Ausmaß der laryngealen Exkursion war bei Patientinnen und Patienten mit und ohne Trachealkanüle weitgehend identisch. Eine neuere Arbeit (Amathieu et.al. 2012) konnte aber eindrucksvoll zeigen, dass durch eine geblockte Trachealkanüle die motorische Aktivität und die Effektivität des Schluckens eingeschränkt werden. Über ein EMG konnte nachgewiesen werden, dass mehr motorische Aktivität erforderlich ist, den Kehlkopf zur maximalen Annäherung an das Zungenbein zu bringen. Außerdem zeigte sich in dieser Arbeit, dass die sogenannte Reflextriggerung, also der Übergang in den unwillkürlichen Teil des Schluckablaufs mit einer geblockten Trachealkanüle negativ beeinflusst war.

Durch die Umlenkung der Atemluft durch die Trachealkanüle und damit der fehlende Luftstrom durch den Kehlkopf hat außerdem den Nebeneffekt, dass Husten als Schutzmeachanismus nicht effektiv sein kann. Kommt es zum Husten durch Penetration oder Aspiration, entweicht die Luft auch hier durch die Kanüle und kann mögliche Bolusteile nicht entfernen. Im schlimmsten Fall tritt eine Gewöhnung ein, die das Auslösen von Schutzreflexen vermindert – da diese durch den Cuff nicht mehr effektiv sind.

Ein ebenfalls wichtiger Punkt ist im Schluckakt die Tendenz, bei der Ausatmung zu schlucken. In rund 70 Prozent der Schlucke ist dies der Fall. Die Glottis schließt also zu einem Zeitpunkt, in dem die Atemmuskulatur eine Ausatmung initiieren will. Der dadurch entstehende Druck unterhalb der Glottis kann direkt postdeglutitiv entweichen und mögliche Penetration bis auf Glottisebene entfernen. Da bei einer geblockten Trachealkanüle kein Druck unterhalb der Glottis aufgebaut werden kann, es nicht mal zu einem Atemstopp im Schluckakt kommt, fällt dieser praktische Sicherungsmechanismus ebenfalls weg. Schon Groher hat 1997 festgestellt, dass durch eine geblockte Trachealkanüle Reaktionen auf Penetration und Aspiration (also Schutzmechanismen wie Husten, Räuspern und kräftiges Ausatmen) nicht effektiv sein können. Ebenfalls ist seither bekannt, dass Aspiration bei gecuffter Trachealkanüle nicht unmittelbar bemerkt wird.

Haltung

  • Patienten mit einer Trachealkanüle neigen zu Schonhaltung. Dabei ist oft der Kopf nach hinten überstreckt.

Empfinden und Sensibilität

Durch die Umlenkung der Atemluft durch die Trachealkanüle unter Umgehung der oberen Atemwege, fehlt ein Luftstrom im Larynx und Pharynx. Die Rezeptoren für Schutzmechanismen – zu denen das Schlucken selbst ebenfalls gehört – büßen an Sensibilität ein, wenn dieser fehlt. Im Ergebnis lösen wichtige „Reflexe“ wie das Husten oder Räuspern aber besonders der Übergang zum unwillkürlichen Teil des Schluckens seltener beziehungsweise verzögert aus.

Daneben gibt es weitere negative Effekte in Bezug auf die Wahrnehmung:

  • Eine Trachealkanüle sorgt außerdem bei manchen Patienten für ein ständiges Fremdkörpergefühl.
  • Beim Absaugen kann es zu vermehrtem Stress kommen,
  • Sinneseindrücke wie Schmecken und Riechen sind reduziert bis unmöglich.

Kommunikation

Geblockte Trachealkanülen lenken die Luft sowohl bei der Einatmung als auch bei der Ausatmung um. Ein Luftstrom durch den Kehlkopf ist nicht mehr möglich. Für die Phonation, die Tonerzeugung mit Hilfe der Stimmlippen, ist solch ein Luftstrom aber Voraussetzung.

Durch die fehlende Phonation ist es Patientinnen und Patienten mit einer gecufften Trachealkanüle nicht möglich verbalsprachlich zu kommunizieren. Sie können aber auch keine Interjektionen produzieren. In der Regel sind sie auf schriftsprachliche Kommunikation angewiesen und auf Deixen, Gestik und Mimik. Je nach exekutiven Leistungen ist Pseudoflüstern erfolgreich.

Bei der Schriftsprache zeigt sich häufig der Umstand, dass die Schriftsprache ganz anderen Regeln unterliegt als die verbale Kommunikation. Schriftlich werden eher ganze Sätze produziert, was auch bei eigentlich kurzen Unterhaltungen die Kommunikation weniger erfolgreich werden lassen kann.

Der Einsatz der Unterstützten Kommunikation ist neben Sprechventilen und der Above Cuff Vocalisation (ACV) hilfreich.